Im Rahmen betriebswirtschaftlicher Forschungsvorhaben werden immer wieder Gestaltungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis gefordert. Dies ist zunächst nicht überraschend, handelt es sich doch bei der Betriebswirtschaftslehre um eine "anwendungsorientierte" Wissenschaftsdisziplin. Aber was genau heisst Anwendungsorientierung?
Heisst das, dass lediglich Themenstellungen untersucht werden, die zu praktisch nutzbaren Ergebnissen führen? Besteht also ein Widerspruch zwischen "reiner" Wissenschaft und "anwendungsorientierter" Praxis? Die Beantwortung dieser Fragen führt zur Werturteils- und Positivismusdebatte, die das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis thematisieren.
Vor dem Hintergrund der Debatten haben sich anwendungsorientierte Forschungsprogramme entwickelt, die aufgrund ihrer "Erfolge" auch von zahlreichen Sozialwissenschaftlern favorisiert werden. Die Ansätze gehen von einer objektiv zugänglichen und beobachtbaren "Welt" aus, in die allgemeingültige Gesetze eingeschrieben sind. Diese Gesetze lassen sich durch ein systematisches Vorgehen aufdecken. Wissenschaftlicher Fortschritt wird dabei als Annäherung der gesetzesartigen Zusammenhänge an die "Wahrheit" interpretiert. Auch in der Betriebswirtschaftslehre haben sich anwendungsorientierte Forschungsprogramme herauskristallisiert. Ein solches Programm stellt z.B. die Aktionsforschung (engl. "Action Research") dar. Dieses behauptet von sich, die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung und praktischer Gestaltungsempfehlung überwinden zu können. Doch reicht es aus, die Betriebswirtschaftslehre auf die Anforderung der Anwendungsorientierung zu reduzieren oder wird dabei nicht eine Verkürzung der Betriebswirtschaftslehre vorgenommen? Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. Dabei lautet die zentrale These:
"Mit einer einseitigen Fokussierung auf die Anwendungsorientierung erfolgt eine Reduzierung der Betriebswirtschaftslehre auf weniger als sie sein kann. Gleichzeitig werden die Erwartungen an das, was sie zu leisten imstande ist, überzogen."