Link zur Veranstaltung: [http://www.ealiz.eu/content/index.php?option=com_content&view=article&id... Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftssicherheit in Europa].
Erscheint in: Europäische Akademie für Lebensforschung, Integration und Zivilgesellschaft - EALIZ (Hrsg.), Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftssicherheit in Europa, Krems 2010.
Der Siegeszug des Vertragsparadigmas in den Sozialwissenschaften bis hin zur Philosophie korrespondiert mit den gegenwärtig zu beobachtenden gesellschaftlichen Entwicklungen hin zumehr Markt". Der Beitrag versucht, den normativen Hintergrundannahmen des vertragstheoretischen Denkens ("Vertragsethik") kritisch auf den Grund zu gehen, um einen aufgeklärteren Umgang mit vertragsförmigen Beziehungen zu ermöglichen. Die hier vertretene zentrale These ist, dass Verträge, wenn es auch so erscheinen mag, kein Paradigma für Legitimität abgeben können. Dies jedoch nicht deshalb, weil sie sprach- und argumentationsfreie Veranstaltungen wären, wie aus einer, dann allerdings falsch verstandenen, diskursethischen Perspektive behauptet werden könnte. Der springende, gegenüber der Vertragsethik vorzubringende Punkt ist vielmehr, dass für jede Interaktion, die vom Eigeninteresse bestimmt ist, nicht Legitimität, sondern die relative Macht der Beteiligten ausschlaggebend ist. Allerdings ist es nicht die Intention der normativen Vertragstheorie, dem "Recht des Stärkeren" das Wort zu reden - wenn dies auch im Vertragsparadigma ganz unvermeidlich ist. Vielmehr lässt sich ihr Anliegen als Versuch rekonstruieren, Moralität subjektfrei aus dem systemischen Charakter der Gesellschaft und vor allem der Wirtschaft abzuleiten. Damit geht sie mit vielen, gerade deontologisch ausgerichteten geistesgeschichtlichen Strömungen der Moderne - von Kant bis hin zur Diskursethik - wenn auch nur in Teilbereichen konform. Die Vertragsethik ist bei Licht besehen eine Systemethik. Aber auch hinter dem Marktwirtschaftssystem als demeinsichtigen und einfachen System der "natürlichen Freiheit" (A. Smith) verbirgt sich eine strukturelle und personale Gewalt, nämlich die des Wettbewerbs. Um diese erkennbar zu machen, bedarf es einer systemkritischen Aufklärung der Diskursethik ebenso wie der praktisch zu führenden Diskurse selbst.