(Transkription des Gesprächs mit Roger de Weck in der 'Sternstunde Philosophie' des Schweizer Fernsehens vom 7. Juni 2009)
Die Krise ist da, wo bleibt die Moral? Kann eine Wirtschaft überhaupt wertfrei funktionieren? Und verändert die Finanzkrise tatsächlich unser wirtschaftliches Handeln? Im Gespräch mit Roger de Weck erläutert Peter Ulrich, wie es der Wirtschaftsethik gelingen könnte, dem Nützlichkeitsdenken der Ökonomen etwas entgegenzusetzen.
In persönlicher und sachlicher Verbundenheit führen Prof. Horst Steinmann (Nürnberg) und Prof. Peter Ulrich (St. Gallen) seit über 20 Jahren eine wechselseitig fruchtbare Debatte über die Begründung und Ausgestaltung moderner Unternehmensethik. Der "Nürnberger" und der "St. Galler" Ansatz teilen trotz keineswegs unwesentlicher Unterschiede sowohl das allgemeine Vorverständnis philosophischer Ethik (als deontologischer, diskursiv zur Praxis kommender Vernunftethik) als auch manche programmatische Leitgedanken zur praktischen Funktion von Unternehmensethik (Abschn. 1). Die Differenzen betreffen weniger den geschichtsbezogenen und erfahrungsgestützten Umgang mit dem philosophischen "Anfangsproblem" (Abschn. 2) als die von Steinmann aus der Sicht des Autors nur halbherzig gezogenen unternehmensethischen Konsequenzen (Abschn. 3). Dieser Beitrag ist Teil einer Debatte, an der sich im selben Heft der "Unternehmung" Prof. Horst Steinmann, Prof. Helmut Kreikebaum (European Business School, Oestrich-Winkel) und Prof. Peter Schaber (Ethik-Zentrum der Universität Zürich) beteiligen.
Der Beitrag entwirft das didaktische Konzept einer Wirtschaftskunde für mündige Wirtschaftsbürger, die sich nicht auf die Darstellung der Systemlogik der Marktwirtschaft beschränkt, sondern diese konzeptionell in das Leitbild einer modernen Bürgergesellschaft einbettet. Das Konzept unterscheidet zunächst zwischen einer ökonomischen Bereichs- und einer Aspektlehre und innerhalb der Bereichslehre zwischen Systemökonomie und Sozialökonomie.
Mit dem modernen Projekt der "bürgerlichen" Gesellschaft und Marktwirtschaft muss etwas schief gelaufen sein: Der wirtschaftliche "Fortschritt" dient nicht mehr der Erweiterung der realen Bürgerfreiheit und der Verbesserung der sozialen Verhältnisse, sondern entfaltet zusehends eine eigensinnige Sachzwanglogik gegen sie. Es gilt sich deshalb auf den ursprünglichen ethischen Gehalt der bürgergesellschaftlichen Vision zu besinnen und die vernünftige Rolle der Marktwirtschaft in ihr zu klären. Die Marktwirtschaft ist durch ihre Einbindung in die Grundsätze einer wohlgeordneten Gesellschaft freier und gleicher Bürger buchstäblich zu "zivilisieren". Als politisch-liberale Konsequenz wird für zwei Arten von Wirtschaftsbürgerrechten argumentiert, die als Ansatz emanzipatorischer Sachzwangbegrenzungspolitik begriffen werden können. Eine entsprechend zivilisierte Marktwirtschaft ist aber nicht zu haben ohne Wirtschaftsbürger, die auch ein republikanisches Ethos mitbringen, d.h. selbst zur Einbindung ihres "Erwerbssinns" in "Bürgersinn" gewillt sind.
Vernunft, Fortschritt, Freiheit - unter diesen drei Leitideen steht die Moderne. Doch unter der Doktrin eines moralisch enthemmten und institutionell entfesselten Kapitalismus ist Vernunft auf Effizienz, Fortschritt auf Wirtschaftswachstum und die Freiheit der Bürger auf den «freien Markt» verkürzt worden. Rücksichtslose Gewinnmaximierung und masslose Managergehälter einerseits, prekäre Lebenslagen für die Schwächeren, ausufernde Staatsverschuldung und Umweltzerstörung andererseits sind die Folgen. Das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft ist krisenhaft geworden, weil wir unser Leben und Zusammenleben allzu sehr den «Sachzwängen» der Marktlogik unterworfen haben. Hinter den meisten Sachzwängen stecken jedoch ideologische Denkzwänge. Eine umfassende wirtschaftsethische Neuorientierung tut Not - unter dem Eindruck der Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise mehr denn je. Der Autor zeigt, wie die Marktwirtschaft in eine moderne Bürgergesellschaft eingebunden, also buchstäblich zivilisiert werden kann. Sein erhellender Entwurf weist den Bürgern, den Unternehmen und der Politik je ihre konkrete Verantwortung zu.
Verwildert unsere Marktwirtschaft? Rücksichtslose Gewinnmaximierung und masslose Managergehälter einerseits, Massenentlassungen und neue Armut andererseits - unter den \\\"Sachzwängen\\\" des globalen Standortwettbewerbs scheint die Politik ratlos. Das Buch zeigt, wie die entfesselte Marktwirtschaft in eine moderne Bürgergesellschaft eingebunden werden kann. Der erhellende Entwurf weist den Bürgern, den Unternehmen und der Politik je ihre konkrete Verantwortung zu.
Aktualisierte Neuausgabe von \\\"Der entzauberte Markt\\\" (2002); 1. Aufl. März, 2. Aufl. September 2005.
Das Buch ist nach drei Auflagen seit Sommer 2008 vergriffen. Das Copyright ist vom Herder Verlag dem Autor zurückgegeben worden. Damit ist, der \\\"Open Access\\\"-Idee folgend, anstelle einer vierten Buchausgabe eine Online-Ausgabe möglich geworden. Sie finden sie im Anhang als pdf.
Vorankündigung: Eine vollständig überarbeitete, "aktualisierte und erweiterte Neuausgabe" des Buchs erscheint im September 2010 im Haupt Verlag, Bern/Stuttgart/Wien.