Der Wettbewerb im europäischen Einzelhandel hat sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Erwirtschafteten noch Ende der 80er Jahre rein regional agierende Handelsunternehmen Gewinne, so billigte der national geprägte Wettbewerb des darauffolgenden Jahrzehnts regionalen Händlern fast keine Überlebenschancen mehr zu. Heute bricht in den meisten europäischen Ländern eine neue Epoche an. Leicht verzögert im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen nimmt auch der Wettbewerb im Einzelhandel internationale Züge an. Spätestens seit dem Markteintritt des amerikanischen Handelsriesen Wal-Mart in Deutschland und mittlerweile auch in England sind die daraus resultierenden Umwälzungen vielen Handelsmanagern bewusst geworden. Unabhängig vom erzielten Marktanteil, welcher bis anhin gering ausfällt, hat der "Wal-Mart-Effekt" erhebliche Auswirkungen. Die damit einhergehende Verschärfung des Preiswettbewerbs erhöht in Europa den Konzentrationsprozess und den Internationalisierungsgrad umsatzstarker Marktplayer. Die Fusion zwischen Carrefour und Promodès, aber auch die Fusionierung sämtlicher Genossenschaften der schweizerischen Coop zu einer einzigen Genossenschaft sind Folgen dieser Entwicklung.
Die Tage sind gezählt, an denen grosse europäische Handelsunternehmen aufgrund kultureller Besonderheiten nur ungern von einer Internationalisierung des Handels sprachen. Ferner beschränken sich die Auswirkung der Globalisierung keinesfalls nur auf den Lebensmittel-Einzelhandel. Der Betriebsformenmix der umsatzstärksten drei Einzelhändler (Wal-Mart, Carrefour/Promodès und Metro) erfasst auch den Non-Food-Handel inklusive etlicher Grosshandelsbetriebe.
Ein Gegenrezept vieler rein national tätiger Einzelhändler besteht im Aufbau grösserer Unternehmenseinheiten, sei dies durch Beschaffungskooperationen, Joint Ventures oder gar durch Fusionen. Dass dies allein nicht ausreicht, zeigen zahlreiche Beispiele aus Ländern, in denen der Internationalisierungsprozess schon weit fortgeschritten ist (z. B. Österreich, Polen, Tschechien). Einen wirksameren Schutz gegenüber ausländischen Konkurrenten bieten innovative Handelskonzepte, welche den regionalen Kundenbedürfnissen optimal entsprechen. Auf der Suche nach einer einzigartigen und erfolgversprechenden Positionierung sowie der kreativen Konkretisierung dieser Ziele in Form von erwünschten Profilierungsmassnahmen (Rudolph 1997), übernehmen Geschäftsmodelle Abschnitt 4.1 definiert den Begriff Geschäftsmodell differenziert. in der aktuellen Managementdiskussion eine Leitfunktion. Handelsmanager sind demnach aufgefordert, Kernkompetenzen (Prahalad/Hamel 1991) marktorientiert und ganzheitlich zu bestimmen.
Hauptziel dieses Fachberichtes ist es, eine Typologie erfolgreicher Geschäftsmodelle im Lebensmittel-Einzelhandel vorzustellen und deren Implikationen, insbesondere für das europäische Handelsmanagement, herauszuarbeiten. Die Vorgehensweise, um dieses Ziel zu erreichen, bestand erstens in der Durchführung einer empirischen Untersuchung über erfolgreiche Markteintrittstrategien von Handelsunternehmen in 28 Ländern. Der Begriff Lebensmittelhandel erweckt den Eindruck, es handle sich dabei um Handelsbetriebe, die ausnahmslos Lebensmittel verkaufen. Von den 10 grössten Handelsunternehmen in Europa bieten alle Unternehmen neben Food-Produkten (Lebensmittel) auch Near-Food- und Non-Food-Produkte (Textilien, Heimwerkerbedarf etc.) an. Auch übernehmen diese Organisationen teilweise Funktionen des Grosshandels, weshalb nachfolgend nicht von Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen sondern von Handelsunternehmen gesprochen werden soll.
Mittels einer Clusteranalyse liessen sich drei Geschäftsmodelle identifizieren, die zweitens anhand von Fallstudien vertiefend analysiert wurden. Drittens erläutert dieser Fachbericht die Konsequenzen der Geschäftsmodelle für das Handelsmanagement. Insgesamt wird damit der Versuch unternommen, der eher beschreibenden und erklärenden Forschungsperspektive zur Internationalisierung zusätzlich praxis-taugliche Gestaltungshinweise hinzuzufügen.