Die gegenwärtige Krise ist nicht nur in ihren Auswirkungen, sondern auch ursächlich zu wesentlichen Teilen Ausdruck einer Verteilungskrise. Vom Produktivitätsfortschritt hat in den vergangenen Jahrzehnten nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung profitiert, während immer mehr Menschen unter prekären Arbeits- und Einkommenssituationen leiden. Auch in der Schweiz hat die soziale Ungleichheit zugenommen. Die sinkende Kaufkraft schlägt auf die Konsumneigung und das Wachstum durch, die Sozialausgaben steigen und aus braven Bürgerinnen und Bürgern werden Empörte.
- Wie hängen soziale Ungleichheit und Wirtschaftskrisen zusammen?
- Was stimmt nicht mehr am Verhältnis von Bürgergesellschaft und Marktwirtschaft und wie lässt es sich trotz des globalen Standortwettbewerbs wieder in Ordnung bringen?
Der Moralphilosoph Adam Smith steht noch immer im Schatten des Ökonomen Smith - zu Unrecht, wie der vorliegende Beitrag anlässlich des 200. Todestags von Smith am 17. Juli 1990 nachweisen möchte. Auch nach Smiths eigener Einschätzung ist nicht der «Wealth of Nations» (1776), sondern die «Theory of Moral Sentiments» (1759), an deren fortwährender Verfeinerung er bis zur 6. Auflage in seinem Todesjahr gearbeitet hat, sein wichtigstes Werk, und seine politische Ökonomie ist unablösbar mit diesem verbunden. Im Unterschied zu den meisten seiner späteren Verehrer hat Adam Smith die ethisch-politischen Voraussetzungen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung stets mitbedacht. Man kann ihn deshalb als den "Klassiker" einer modernen Wirtschaftsethik bezeichnen. Wenn es heute Anzeichen für eine Renaissance seiner "klassischen" politischen Ökonomie gibt, so dürfte es genau dieser Punkt sein, der eine solche lohnend macht. Denn nur im Kontext der faszinierenden Moralphilosophie Smiths lässt sich auch seine liberale Ökonomie unverkürzt erschliessen. Die zentrale These dieses Beitrags geht dahin, dass Smith seinem grossen Zeitgenossen und angeblichen Antipoden, dem kritischen Philosophen Immanuel Kant, unter philosophisch-ethischen Gesichtspunkten wesentlich näher steht als den heutigen neoklassischen Ökonomen, die sich so gern auf ihn berufen, zugleich aber aufgrund ihres so ganz anderen Wissenschaftsverständnisses von Kants «Kritik der praktischen Vernunft» in der Ökonomie regelmässig nichts wissen wollen (Abschnitt 1). Auf dem Hintergrund der "grossen" philosophiegeschichtlichen Spannungslinien wird der entscheidende methodische Fortschritt und die grossartige Syntheseleistung Smiths deutlich, mit der er Kants "kopernikanische Wende" hin zur kritischen Philosophie und Vernunftethik in bahnbrechender Weise vorwegnahm (Abschnitt 2). Die "Kant'sche Seele in Smiths Brust" (Abschnitt 3) lässt ihn der (deontologischen) Gerechtigkeitsethik den unbedingten Vorrang vor allen (teleologischen) Nützlichkeitsüberlegungen einräumen; sein Programm einer politischen Ökonomie ist das Programm einer lebensklugen Indienstnahme der Ökonomischen Triebkräfte für die vorrangigen Ziele einer sowohl freiheitlichen als auch gerechten Gsellschaftsordnung mittels eines vielschichtigen Netzwerks der in der Conditio humana wurzelnden moralischen Dispositionen der Menschen, staatlicher Regelungen und ökonomischer Interessenlenkung durch das Wirtschaftssystem (Abschnitt 4). Die heutige Aktualität von Smiths politischer Ökonomie in moralphilosophischer Absicht gründet nicht zuletzt in ihrem von seiten der vorherrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Rezeption ausgeblendeten kritischen Potential. Der Schlussabschnitt (5) skizziert die überraschend deutlichen und weitreichenden Konsequenzen für eine zeitgemässe freiheitliche Wirtschaftsordnung, die einer unverkürzten Deutung seines Werks im ethisch-politisch-ökonomischen Gesamtzusammenhang unter den gegenwärtigen Bedingungen abzugewinnen sind.
Ökonomie ist ihrem Gegenstand nach von Grund auf als praktische Disziplin (vom vernünftigen Handeln zu verstehen. In dem Mass, wie sich die praktischen Fragen auf Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Marktwirtschaft und Gesellschaft beziehen, besinnt sie sich auf den sozialökonomischen Kontext. Der Beitrag zeigt, dass jedoch eine theoretische Sozialökonomie zu kurz greift. Nötig ist eine wirtschaftsethische Öffnung der Disziplin - hin zu einer Praktischen Sozialökonomie, die das ökonomische Problem unter dem normativen Horizont einer modernen Gesellschaft freier und gleichberechtigter Bürger reformuliert. Erst in deren Rahmen macht eine relativ autonome - aber nicht mehr schon für das Ganze einer vernünftigen Ökonomie gehaltene - Systemökonomie Sinn. Entworfen wird somit die Programmatik einer perspektivendualistischen Konzeption von Wirtschaftswissenschaft, welche die aktuellen Herausforderungen von Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsweise unverkürzt thematisiert..
Something must have gone wrong with the modern project of liberal society and market economy: economic progress doesn’t any longer enlarge citizens’ real freedom and improve the social situation. Rather, it develops inherent necessities which seem to turn against the weaker part of society. Especially in European countries, the welfare state is running behind, fighting against the symptoms of “exploding” social costs of private business. The challenge of today is to rethink the principles of a well-ordered society of free and equal citizens and to re-embed market economy into these principles, or in brief: to “civilize” market economy. From an ethical point of view, real civic freedom takes precedence over “free markets”. Such a republican liberalism is essentially different from market liberalism. With the core idea of economic citizenship rights, a new perspective of emancipatory social progress comes into view.
Ist der Markt der neue Gott: Allwissend, allmächtig und allgegenwärtig? Wenn die Rede ist von den Zwängen der Globalisierung, von ökonomischer Rationalität und vom Wirtschaftstandort, dem vieles zu opfern ist, so möchte man es fast glauben. Daher ist die Entzauberung des sogenannten freien Marktes nötiger denn je. Wertfreie Ökonomie ist eine Mär. Peter Ulrich nimmt uns alle in die Verantwortung. Er reisst aus der Bequemlichkeit des Sachzwangdenkens: Effizienz wofür und für wen? Welche Wirtschaft wollen wir? Nur wer diese Frage ernst nimmt, kann Verantwortung übernehmen: Veränderungen beginnen im Kopf - ein Buch gegen die Denkverbote des Marktes - und für eine Wirtschaft, die den Menschen dient.
Das Buch ist hervorgegangen aus einer sechsteiligen öffentlichen Abendvorlesung an der Universität St. Gallen, gehalten im Sommersemester 2001 unter dem Titel "Kleine interdisziplinäre Wirtschaftsbürgerkunde -- sechs wirtschaftsethische Perspektiven zur Orientierung im politisch-ökonomischen Denken". Dieses Buch soll in leichterer und wesentlich knapperer Form die wichtigsten Leitgedanken der Integrativen Wirtschaftsethik einem breiteren Publikum zugänglich machen. Das kleine Werk (222 Seiten) ist im Juli 2002 im Verlag Herder (Freiburg i.B./Basel/Wien) in schöner, lesefreundlicher Gestaltung herausgekommen. Der Haupttitel nimmt auf Max Webers bekannte Formel von der "Entzauberung der Welt" Bezug; er soll die ideologiekritische Intention (wider die Vergötterung des "freien" Marktes) andeuten. Der Untertitel bringt dagegen zum Ausdruck, dass sich das Buch damit nicht begnügt, sondern darüber hinaus ein individuell handlungs- bzw. gesellschaftlich und ordnungspolitisch gestaltungsorientierendes Leitbild entwirft. Es geht dabei nicht bloss um das Verhältnis von Markt und Staat, sondern umfassender um die Einbindung des Marktes in eine wohlgeordnete Gesellschaft freier und gleichberechtigter Bürger -- Bürger, die ihr wirtschaftliches Handeln nicht von ihrem Selbstverständnis als integre und verantwortungsbewusste Personen abspalten.
Für eine Auswahl aus den zahlreichen Presserezensionen sei auf die Homepage des IWE (Rubrik 'Schriften') verwiesen.
(Lead) Seit Jahren und erneut in den letzten Tagen geriet die Schweizer Steuerpolitik in die internationale Kritik. Die Empörung im Land ist gross. HSG-Professor Peter Ulrich weist jedoch darauf hin, dass die schweizerische Steuerpolitik gegenüber dem Ausland im Grunde wettbewerbsfeindlich ist.