Warum sind Tourismusunternehmen vergleichsweise stark von der restriktiven Kreditpolitik der Banken betroffen? Welche besonderen Risiken ergeben sich für den Investor bei einem Engagement im Tourismus und wie haben sich diese Risiken bzw. deren Bewertung im Kontext der Globalisierung verändert? Welche neuen Anforderungen werden in der Folge an Kredite für den Tourismus gestellt? Welche alternativen Finanzierungsformen sind auf Grundlage von theoretischen oder praktischen, im Ausland angewandten Konzepten sinnvoll und möglich? Diesen und anderen vertiefenden Fragen geht die Publikation von Bernet und Bieger nach. Buchbesprechung in der Hotel & Tourismus Revue vom 27. Januar 2000 Professoren als Mittler zwischen Leistungsträgern und Geldgebern: Eine Buchbesprechung zu einem zwar populären, aber nicht ganz einfachen Thema. ALEXANDER P. KÜNZLE Rote Fibel für Branche in Rot Da bewährte Denkweisen im gewerblichen und KMU-Milieu nur ungern aufgegeben werden, müssen zunehmend Professoren* «die Meinung neu machen» und die Mittlerrolle zwischen touristischen Leistungsträgern und Geldgebern spielen. Im kürzlich erschienenen Buch «Finanzierung im Tourismus» wenden sich deshalb die beiden St. Galler Professoren Beat Bernet und Thomas Bieger nicht nur an Touristiker und Hoteliers, oder Studierende, sondern auch an die Kreditprofis in den Banken. Dass ausgerechnet im Bankenland Schweiz die Tourismusbranche bei der Finanzierung auf derartige Hindernisse stösst, wirkt aber nur auf den ersten Blick paradox. Ein zweiter Blick zeigt anderes. Nach dem überaus langen Immobilienboom, der die Hotelfinanzierung bis Ende der 80er Jahre sozusagen automatisch sicherstellte, setzte die weltweite Globalisierung dem inländischen Kreditgeschäft der Banken fast mehr zu als vielen Tourismusdestinationen. Im Jahrzehnt, das nun zu Ende ging, gaben sich die Schweizer Kreditbanker jedoch äusserst ängstlich, was ihre aktive Rolle im Strukturerneuerungsprozess betrifft. Sie vergaben oder verweigerten Kredite an Einzelbetriebe - und ignorierten tapfer die betriebsübergeordneten Wurzeln des Übels, nämlich die veralteten Strukturen rund um eine Vielzahl von KMU-Leistungsträgern. Wenn jetzt plötzlich Banker von der Notwendigkeit von Fusionen und vertikalen Kooperationen in Hotellerie und Tourismus reden**, dann können Professoren wie Thomas Bieger darauf verweisen, seit Jahren davon gesprochen und publiziert zu haben. Bernet/Bieger geben in ihrem 1999 erschienenen Finanzierungsbuch gleich eine Handvoll Finanzierungsmodelle mit, die aber nicht ganz einfach zu lesen sind. WAHRNEHMUNGSPROBLEME Zwar gilt die Finanzierung in Tourismuskreisen momentan als äusserst populäres Thema, populärer beinahe als das Gäste-Marketing. Doch das 135 Seiten kleine Finanzierungsbuch ist nicht überall gleich populär geschrieben: Grafiken, Formeln und Tabellen lassen sich bei so einem Thema einfach nicht umgehen, sind aber doch sehr verständlich gehalten. Auch wer sich im «diskontierten Barwert» oder in der «Derivatefinanzierung» des zweiten Buchteils nicht so sicher fühlt, wird allein mit der ersten Hälfte des Buches glücklich: Diese umschreibt ohne Finanzformeln in einfachen, aber deutlichen Sätzen die veränderte Wirklichkeit im Alpentourismus. Und sie vergleicht viel mit dem Ausland, um die schwierige Schweizer Situation zu illustrieren. Der Text spricht auch die Wahrnehmung in der Branche selbst an, die starke Verzerrungen gegenüber der Wirklichkeit aufweist, was sich dann beispielsweise in falschen Marketingstrategien niederschlagen kann. Mit der internationalen Sichtweise der Leistungsträger ist es also nicht allzuweit her, auch wenn die Gäste von weit her kommen. KEIN TOURISTISCHER SONDERFALL * DIE ALPEN Dem während Jahren verpönten Vergleich mit dem Ausland ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Doch die Alpen können nun kein touristischer Sonderfall mehr sein, wenn dies kein Financier mehr so akzeptiert. An den ausländischen Modellen wird gezeigt, was die Finanzierungs- sprich Kapitalmarktfähigkeit anderer Destinationen ausmacht: die «wertorientierte Destination» eines Kreuzfahrtschiffs, die integrierten Skiresorts in Nordamerika oder die österreichischen Subventionsmodelle. Hätten die Verantwortlichen für das Leukerbader Debakel inklusive ihre Nachlassverwalter die Möglichkeit gehabt, die rote Finanzierungsfibel von Bernet und Bieger durchzuarbeiten, wäre man vielleicht bei der Liquidation des Walliser Badeorts anders vorgegangen. Zum Beispiel mit «Destination Financing». Wobei vielleicht mit Verbriefung mehr Geld als mit Asset Stripping hätte aufgebracht werden können - wenn man dafür vorher eine «Leukerbad-Holding» auf die Beine gestellt hätte. HOLDING STATT VEREINSSTRUKTUR Klare Besitzverhältnisse, also Holdingstrukturen, Aktiengesellschaften, wie auch immer, kommen vor jeder Finanzierung. Jedes Verzetteln der Wertschöpfungskette im halböffentlichen-lokalen-halbprivaten Vereins-Brei vergiftet die Suche nach Investoren. Deshalb wird dem Reizwort «Tourismusorganisationen» auch in dieser Publikation Platz eingeräumt: Diese öffentlichen Verkehrsvereine mit ihrer intransparenten Subventionslastigkeit, ihrer politischen Verstricktheit und ihrem hohen Konsonsbedarf wirkten bis in die 90er Jahre zu stark auf die Angebotsausgestaltung und konzentrierten sich zuwenig auf die Nachfrage. Derweil sich die Verschuldung von Bergbahnen und Hotellerie drastisch, aber unbemerkt zuspitzte. *Beat Bernet, Thomas Bieger, Finanzierung im Tourismus, 136 Seiten, 39 Abbildungen, 1999, 29 Franken; Verlag Paul Haupt, ISBN 3-258-05986-1; Tel.: 031 30 12345; e-mail buchhandlung@haupt.ch **Jakob Heuscher und Jürg Stucki von der UBS Bern, «Berner Zeitung» von Anfang Dezember 1999. Stucki ist ausserdem (wie Bieger) im Verwaltungsrat der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit SGH (siehe Artikel in der htr Nr. vom*). 2-sp. Box Bausteine für ängstliche Banker Der zweite Teil des Buches «Finanzierung im Tourismus» mit seinen «Bausteinen alternativer Finanzierungsmodelle» ist etwas zu finanztheoretisch gehalten. Er rüttelt aber auch an den Grundfesten eidgenössischer touristischer Nichtfinanzierbarkeit: Sorgsam gehegte Intransparenz und Kleinheit der Einheiten. An beidem sind die Banken mitschuldig. So bleiben ihre allerneuesten Basisberechnungen für die Rating-Benchmarks der Hotel- und Bergbahn-Portfeuilles unpubliziert, und zu Strukturdiskussionen haben sie sich erst kürzlich durchgerungen. Beispiel: Während Leukerbad als ganzes nach tiefgehenden Einschnitten zumindest der Grösse des Logiernächtevolumens nach kapitalmarktfähig wäre, sind es die einzeln abgestossenen Hotels und Objekte sicher nicht. Man mag den Autoren des Buches im zweiten Teil Theorielastigkeit vorwerfen - etwas besseres und öffentlich einfach zugängliches gibt es jedoch für die hermetisch- helvetische Tourismus-Branche kaum. Das Manko im zweiten Buchteil illustriert damit an sich das Problem der Finanzierbarkeit des Schweizer Tourismus: Im Literaturanhang des Buchs ist keine einzige Publikation einer (Schweizer) Bank zum Thema angeführt. Angesichts der zig Milliarden Franken an Kreditverlusten, die die Banken seit Anfang der 90er Jahre einfahren, hätte sich ja ein bankinterner Analyst an die Arbeit machen können. Vergleicht man mit der wahren Publikationsflut, die seitens der Banken im Finanzanlage- und Börsenbereich täglich produziert wird, könnte das Informationsdefizit grösser nicht sein. Was dem Buch fehlt, sind Fallstudien, die all das Erwähnte praktisch anwenden. Ist es die «politische Korrektheit», die die Autoren davon abhielt, besonders schlechte oder gute Beispiele wie Leukerbad oder die Weisse Arena Flims mit ihrem Instrumentarium zu durchleuchten? Gerade zu den Finanzierungsmodellen hätte man sich zumindest eine Anwendung gewünscht - wenn nicht anders, dann ausländische. APK (Abdruck mit der freundlichen Erlaubnis der htr)