Es kracht. Im Nokia-Streit prallen zwei Anachronismen aufeinander: Arbeitsplatz-Chauvinismus kontra Marktideologie. Eine Analyse, worum es bei der angedrohten Werksschliessung von Nokia in Bochum geht.
Integrität im Wirtschaftsleben heisst: sich nicht spalten lassen zwischen den manchmal auseinandergehenden Anforderungen der marktwirtschaftlichen Erfolgslogik und der umfassenderen ethischen Verantwortung. Der Beitrag zeigt zunächst, wie dieses systematische Integrtionsproblem im traditionellen marktmetaphysischen Unternehmerethos gelöst worden ist und wie es auf dem Niveau eines modernen, wirtschaftsethisch aufgeklärten Verständnisses vons "guter" Unternehmensführung prinzipiell zu lösen ist. Danach wird nach den Motivationsquellen zu so verstander Integrität im Geschäftsleben gefragt. Gefunden werden sie im Selbtverständnis lebenskluger Wirtschaftsbürger, die zwar sehr wohl erfolgreich sein wollen, ihren "Geschäftssinn" aber in ihren "Bürgersinn" integrieren. Aus so verstandenem "bürgerlichem" Denken folgt unmittelbar ein wörtliches Verständnis von Corporate Citizenship ...
Unter dem wachsenden globalen Wettbewerbsdruck garantieren die Arbeitsmärkte nicht mehr länger die soziale Inklusion aller Bürger in die Gesellschaft. Für eine "zivilisierte" Marktwirtschaft ist es daher wesentlich, die weitere ökonomische "Rationalisierung" in eine umfassende Arbeitspolitik einzubinden, die sich an individuell sinnvollen Arbeitsformen ebenso wie an der gerechten Organisation der Arbeitsgesellschaft orientiert und die Arbeitsmärkte im Hinblick darauf "effizient" gestaltet. Ohne eine solche "Vitalpolitik" (Rüstow) der Arbeitswelt drohen die Arbeitsmärkte mehr und mehr "tyrannisch" zu werden im Sinne von Michael Walzer, indem sie mehr oder weniger die ganze Lebenslage der Menschen dominieren. Der Beitrag entwickelt die systematischen Eckpunkte einer Vitalpolitik der Arbeitswelt im Lichte der regulativen Ideen einer bürgergesellschaftlich "zivilisierten" Marktwirtschaft.
Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich als symptomatisches Extremereignis verstehen, mit dem eine tief verwurzelte normative Orientierungskrise aufbricht. Sie beruht im Kern auf der ideologisch und institutionell allzu weit getriebenen Verselbständigung und Verabsolutierung des "Denkens in Geld- und Einkommensströmen" (Wilhelm Röpke) gegenüber lebenspraktischen Orientierungsgesichtspunkten. In Frage gestellt ist nicht das marktwirtschaftliche Grundsystem, sondern ein entfesselter und rücksichtsloser Finanzkapitalismus. Falls diese Deutung zutrifft, ist eine nachhaltige Lösung der Krise nicht allein mit herkömmlichen wirtschaftspolitischen Rezepten möglich, sondern nur im Verbund mit neuen gesellschaftspolitischen Ansätzen unter einem zukunftsfähigen zivilisatorischen Fortschrittshorizont, der noch der nachholenden Aufklärung bedarf. Was epochal ansteht und derzeit fehlt, ist aus dieser Perspektive weniger mangelndes finanztechnisches Knowhow zur Steuerung des marktwirtschaftlichen Systems als vielmehr eine umfassende und klare politisch-ökonomische Neuorientierung. Als mögliche Orientierungsidee könnte das Leitbild einer voll entfalteten Bürgergesellschaft und einer in sie eingebetteten, im buchstäblichen Sinn zivilisierten Marktwirtschaft dienen. Skizzenhaft erprobt wird dieser Leitgedanke am aktuellen ordnungspolitischen Brennpunkt einer neuen Finanzmarktverfassung.