Die real existierende Wirtschaft bietet in den letzten Jahren auffallend häufige Symptome von Unwahrhaftigkeit -- die Skandale von Enron, Arthur Anderson etc. lassen grüssen. Der Beitrag untersucht das spezifische Wahrhaftigkeitsproblem der Unternehmensführung und entwickelt konkrete Ansatzpunkte des Integritätsmanagements.
[Lead] Umgeben von vielen neoliberalen Wirtschaftsprofessoren ist Peter Ulrich während mehr als 20 Jahren an der Universität St. Gallen seiner Aufgabe als Wirtschaftsethiker nachgegangen. Jetzt geht er mit einer kritischen Bilanz in den Ruhestand.
Es kracht. Im Nokia-Streit prallen zwei Anachronismen aufeinander: Arbeitsplatz-Chauvinismus kontra Marktideologie. Eine Analyse, worum es bei der angedrohten Werksschliessung von Nokia in Bochum geht.
Integrität im Wirtschaftsleben heisst: sich nicht spalten lassen zwischen den manchmal auseinandergehenden Anforderungen der marktwirtschaftlichen Erfolgslogik und der umfassenderen ethischen Verantwortung. Der Beitrag zeigt zunächst, wie dieses systematische Integrtionsproblem im traditionellen marktmetaphysischen Unternehmerethos gelöst worden ist und wie es auf dem Niveau eines modernen, wirtschaftsethisch aufgeklärten Verständnisses vons "guter" Unternehmensführung prinzipiell zu lösen ist. Danach wird nach den Motivationsquellen zu so verstander Integrität im Geschäftsleben gefragt. Gefunden werden sie im Selbtverständnis lebenskluger Wirtschaftsbürger, die zwar sehr wohl erfolgreich sein wollen, ihren "Geschäftssinn" aber in ihren "Bürgersinn" integrieren. Aus so verstandenem "bürgerlichem" Denken folgt unmittelbar ein wörtliches Verständnis von Corporate Citizenship ...
Unter dem wachsenden globalen Wettbewerbsdruck garantieren die Arbeitsmärkte nicht mehr länger die soziale Inklusion aller Bürger in die Gesellschaft. Für eine "zivilisierte" Marktwirtschaft ist es daher wesentlich, die weitere ökonomische "Rationalisierung" in eine umfassende Arbeitspolitik einzubinden, die sich an individuell sinnvollen Arbeitsformen ebenso wie an der gerechten Organisation der Arbeitsgesellschaft orientiert und die Arbeitsmärkte im Hinblick darauf "effizient" gestaltet. Ohne eine solche "Vitalpolitik" (Rüstow) der Arbeitswelt drohen die Arbeitsmärkte mehr und mehr "tyrannisch" zu werden im Sinne von Michael Walzer, indem sie mehr oder weniger die ganze Lebenslage der Menschen dominieren. Der Beitrag entwickelt die systematischen Eckpunkte einer Vitalpolitik der Arbeitswelt im Lichte der regulativen Ideen einer bürgergesellschaftlich "zivilisierten" Marktwirtschaft.