Sozialversicherungen · Statt die Ursachen zu beheben, wird ein System zementiert, das auf eine überholte Vollbeschäftigungsdoktrin fixiert ist. Deshalb regt der St.Galler Wirtschaftsethiker Peter Ulrich einen Systemwechsel bei den Sozialversicherungen an.
Es herrscht heute eine Konfusion von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie lässt sich als doppelt verkehrte Ordnung erkennen: erstens, bezüglich eines liberalen Wirtschaftsverständnisses, zwischen marktwirtschaftlichem System und bürgerlicher Freiheit; und zweitens, hinsichtlich der bürgerlichen Gesellschaftsidee, zwischen eigentumsrechtlich verfasstem Kapitalismus und freiheitlich-demokratischer Gesellschaftsordnung. Die sich ergebenden Perspektiven werden am Ende in fünf Thesen zusammengefasst.
'Mehr Markt!' lautet heute das (allzu) simple neoliberale Generalrezept zur Lösung fast aller gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Probleme. Dass dies der Standpunkt bestimmter, vorrangig an ihren Partikularinteressen orientierter Wirtschaftspraktiker und Politiker ist, verwundert nicht unbedingt. Schwerer nachzuvollziehen ist, dass auch die überwiegende Zahl der akademischen Vertreter der Mainstream Economics heute mehr oder weniger vorbehaltlos nahezu dieselbe Botschaft verkünden. Nur noch wenige Universitätslehrer der Ökonomie denken gegen den totalen Ökonomismus an die unkritische und kriterienlose Verabsolutierung ökonomischer Gesichtspunkte und arbeiten an den Grundlagen einer anderen, 'sozialverträglichen' Wirtschaftswissenschaft. Sie haben dabei all die subtilen Widerstände in Kauf zu nehmen, die den sogenannten Dissenting Economists gewöhnlich entgegenschlagen. Der vorliegende Beitrag würdigt vor allem die Beiträge von Siegfried Katterle als einem der klarsten Köpfe unter ihnen aus der Perspektive der Integrativen Wirtschaftsethik. Diese versteht sich als philosophisch disziplinierte kritische Grundlagenreflexion der Ökonomie. Sie kann daher ihrerseits zur Klärung tragfähiger Grundlagen einer (praktischen) Sozialökonomie beitragen, der es nicht um eine grenzenlose, totale Marktgesellschaft, sondern um eine ethisch orientierte, lebensdienliche Marktwirtschaft geht. Im ersten Abschnitt werden die Hintergründe der gegenüber lebensweltlichen Fragen so eigenartig 'ausgrenzenden' Ökonomik ausgeleuchtet und die Grundmerkmale erörtert, deren abweichende Bestimmung eine lebensnahe Sozialökonomie von den Mainstream Economics unterscheidet (Personenkonzept, Gesellschaftskonzept, Marktwirtschaftskonzept). Im zweiten Abschnitt werden die systematischen wirtschaftsethischen Grundlagen einer so ansetzenden, anderen Ökonomie dargelegt.