Performativität contra Verantwortung : Zur Aporia des Stakeholder-Managements von Nonprofit Organisationen
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Nonprofit Organisationen (fortan NPO) geniessen in der Managementliteratur oft einen zweifelhaften Ruf. An Effizienz mangle es ihnen; ihre Dienstleistungen seien zu wenig kundenorientiert; der Wettbewerbsgedanke sei zu schwach ausgeprägt; und ihre Leistungen werden gegenüber Stakeholdern nicht ausreichend transparent gemacht. Wo Neuerungen unausweichlich erscheinen, scheut sich die Managementliteratur nicht, gleich selber ein Pharmakon (d.h. eine Medizin; Derrida, 1981) anzubieten: ‚Managerialism'. Während ‚Managerialism' (und das damit verbundene ökonomische Gedankengut) oft als Euphemismus für die Aushöhlung von NPO (Eikenberry & Kluver, 2004) oder Institutionen der öffentlichen Hand (du Gay, 2000) anhand von ‚Best-Management' Praktiken gesehen wird, nimmt der vorliegende Beitrag eine affirmativere Sicht ein. Konkret geht es um die Überprüfung der mimetischen Übertragbarkeit des ‚Managerialism' auf NPO am Beispiel des Stakeholder-Managements. Dies beinhaltet zum einen die Problematisierung der Repräsentation von ‚Managerialism' als neutrale (d.h. unideologische), unausweichliche Notwendigkeit zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung von NPO. Kritisch hinterfragt wird zudem die dem ‚Managerialism' zugrunde liegende Annahme der transzendentalen Allgemeingültigkeit von Managementmethoden (Hübner, 2007). Zur Fundierung dieser Kritik wird aufgezeigt, dass es sich beim ‚Managerialism' um eine neo-liberale Form der Gouvernementalität (Lemke, 2002) handelt, welche mit einer tief greifenden Umstrukturierung der Praxis und Wertebasis von NPO einhergeht. Über die Bereitstellung einer Rationalität, welche sowohl den Telos von NPO (d.h. Performativität; Lyotard, 1984) sowie die adäquaten Mittel zu dessen Erreichung festlegt, fungiert "Managerialism' als ein in sich geschlossenes Denk- und Regierungssystem zur Festschreibung einer technokratischen und rationalistischen Sichtweise von (sozialer) Organisation und damit zu einer stärkeren Gewichtung ökonomischer im Gegensatz zu sozialen und politischen Zielen im Umgang mit den Stakeholdern von NPO. Die sich aus der Regierungsform des "Managerialism' (potentiell) für das NPO Stakeholder-Management ergebenden Probleme werden unter Rückgriff auf theoretische Überlegungen und empirische Befunde erläutert.
Übergeordnetes Ziel des Beitrags ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Umgang mit Stakeholdern stets mit der Gleichzeitigkeit von ökonomischen Sachzwängen und ethischen Verantwortlichkeiten einhergeht. Ein rein "managerialistischer' (d.h. instrumentell-strategischer) Umgang mit Stakeholdern würde damit insofern zu kurz greifen, als die Präsenz des Nicht-Ökonomischen (allen voran die ethische Beziehung zum Anderen) vorsätzlich marginalisiert würde. Über die "ethischen" Arbeiten Jacques Derridas wird gezeigt, dass Stakeholder-Management ein paradoxes (und kein algorithmisches) Unterfangen darstellt, welches unausweichlich mit der Erfahrung der Unsicherheit verbunden ist. Durch die Betonung des Konzepts der Verantwortung wird der Grundpfeiler gesetzt für eine Form des Stakeholder-Managements, welche sich ihrer Ambivalenzen und Limiten bewusst ist (respektive kontinuierlich vor Augen zu führen versucht). Zur praktischen Verortung der Aporia (d.h. des unüberwindbaren Widerspruchs) zwischen Performativität und Verantwortung für das NPO Stakeholder-Management wird schliesslich auf Derridas (1999) Konzept der Unentscheidbarkeit rekurriert. Die dem Stakeholder-Management inhärente Unentscheidbarkeit, so das Argument, zieht nicht eine Paralyse von NPO nach sich, sondern evoziert eine unmittelbare Obligation ("act now!') gegenüber dem singulären Anderen, verbunden mit dem paradoxen Imperativ "entscheide dich, auch wenn deine Entscheidungen nie vollumfänglich verantwortlich sein können!". Der Beitrag schliesst mit einem kurzen Erfahrungsbericht eines praxisorientierten Forschungsprojekts. Im Zentrum steht die Darlegung eines Leitfadens zur Identifikation, Relevanzbestimmung und Involvierung von Stakeholdern von NPO. Über den Leitfaden wird dabei die Frage adressiert, wie der Singularität und Einzigartigkeit konkreter Relationen und der darin implizierten Verantwortung in praktischer Hinsicht genüge getan werden kann, ohne dabei die ökonomischen Sachzwänge von NPO aus den Augen zu verlieren. Der Leitfaden kolportiert im Sinne eines regulativen Ideals die Botschaft, dass NPO Stakeholder-Management nicht auf die mechanistische Anwendung von Regeln und Technologien reduziert werden kann und dass NPO - um sich als verantwortliche Akteure zu qualifizieren - in der Pflicht stehen, den chronisch prekären Drahtseilakt zu wagen zwischen ökonomischer Rationalität und der Verantwortung gegenüber dem Anderen. Stakeholder-Management als Praxis verantwortlicher Entscheidungen impliziert somit die Kultivierung von Toleranz gegenüber der Erfahrung des Unfassbaren und des Ungenügens (Derrida, 1995).
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