Leitideen einer lebensdienlichen Arbeitspolitik

Auteur(s)

Peter Ulrich

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Description

In den Brennpunkt der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussion rückt zunehmend die "Beschäftigungsfrage". Die Zweifel an der realpolitisch ebenso wie in der Mainstream Economics herrschenden neoliberalen Doktrin, dergemäss die "Vollbeschäftigung" primär oder sogar ausschliesslich über den Weg der Deregulierung ("mehr Markt"), der Produktivitätssteigerung und vor allem des Wirtschaftswachstums wiederhergestellt werden könne und solle, nehmen zu. Tiefergehende Reformansätze, die das Beschäftigungsproblem nicht nur als rein ökonomisches Problem der Mengen nachgefragter bzw. (nicht) angebotener Arbeitsplätze, sondern als ethisch-politisch zu reflektierendes Problem der gerechten Verteilung anhaltend knapper Erwerbsarbeit verstehen und darüber hinaus vielleicht sogar nach einer Neubestimmung der Rolle der Erwerbsarbeit im "modernen" Entwurf des guten Lebens fragen, finden langsam aber sicher Beachtung. Die vorliegende Veröffentlichung präsentiert Überlegungen, die unter dem noch ungewohnten Begriff der Arbeitspolitik stehen. Der Begriff thematisiert die gesellschaftliche (Erwerbs-) Arbeit und ihre Organisation als Gegenstand einer umfassenden gesellschaftspolitischen Gestaltungsaufgabe, die primär nicht von (sich als "wertfrei" verstehenden) Experten der Wirtschaftspolitik zu entscheiden, sondern öffentliche Sache der demokratischen Bürgerdebatte ist und deren Lösungsvorschläge stets der Begründung in ethisch-politischen Kategorien bedürfen. Teil I setzt sich zunächst ökonomismuskritisch mit der neoklassisch-neoliberalen Doktrin auseinander, dass eine "freie" Marktwirtschaft an sich "sozial" sei und im Interesse aller Bürger liege. Von dieser gängigen ideologischen Prämisse her ist zu verstehen, weshalb der "Bock" der Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen noch immer von so vielen Ökonomen und Wirtschaftspraktikern, trotz widersprechender Alltagserfahrung, zum "Gärtner" im Paradiesgarten der Vollbeschäftigung umgedeutet wird. Nach dieser Desillusionierungsarbeit werden die Konturen und Ansatzpunkte einer lebensdienlichen Arbeits- und Sozialpolitik skizziert, die primär nicht den Markt, sondern die Menschen frei machen will. Teil II setzt bei der Begründung eines allgemeinen moralischen Rechts auf Arbeit an und zeigt in kurzer Form auf, inwiefern es bei der realpolitischen Auseinandersetzung für oder wider die Umverteilung der Arbeit hintergründig um den Konflikt zweier grundlegend verschiedener Gesellschaftsmodelle geht. Es kommt demnach darauf an sich zu besinnen, welches Leitbild des gesellschaftlichen Zusammenlebens der zukünftigen Arbeits- und Beschäftigungspolitik zugrundegelegt werden soll: ein autoritär-karitatives oder ein emanzipatorisch-freiheitliches, das die eigentliche Herausforderung des "Beschäftigungsproblems" in der Weiterentwicklung der (urliberalen) Konzeption der Bürgergesellschaft (civil society) unter veränderten Bedingungen und in der Erweiterung der Optionen freier Bürger auch in der Arbeitswelt erkennt.

Langue

Deutsch

Date

1997

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