Insolvenz verselbständigter Verwaltungseinheiten von Bund und Kantonen - Unter besonderer Berücksichtigung staatlicher Einstandspflichten
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Das Dogma der grenzenlosen Zahlungsfähigkeit der öffentlichen Hand wirkt auch auf das Recht der verselbständigten Verwaltung ein: Es fehlt weitgehend an kohärenten positivrechtlichen Regelungssystemen zur Bewältigung einer öffentlich-rechtlichen Insolvenz. Indessen findet der Prozess «Insolvenz» nicht im rechtsfreien Raum statt. Vielmehr kann mittels eines prinzipiengeleiteten Ansatzes entlang der typischen Evolutionsstadien einer Haushaltskrise ein eigentliches, kaskadenartiges «Krisenrecht» für verselbständigte Verwaltungseinheiten von Bund und Kantonen identifiziert werden: Krisenvorsorgerecht, aufsichtliches und dringliches Kriseninterventionsrecht, Krisenbewältigungsrecht. Das Krisenvorsorgerecht ist lückenhaft, weil die verselbständigten Verwaltungseinheiten vermögensrechtlich vom Kernhaushalt getrennt sind und deshalb regelmässig aus dem Anwendungsbereich der Schuldenbremse ausscheiden, ohne dass die Gesetzgeber angemessene Substitute auf Ebene der verselbständigten Verwaltungseinheiten erlassen hätten. Empfohlen wird deshalb eine dreistufige finanzpolitische Steuerung auf Ebene Stammhaus, konsolidierter Rechnung und verselbständigter Verwaltungseinheit selbst. Das janusköpfige aufsichtliche Kriseninterventionsrecht bietet präventive und kurative Mittel, die im Kontext einer (drohenden) Haushaltsnotlage zur Anwendung gelangen können. Das dringliche Kriseninterventionsrecht erlaubt den kurzfristigen Erlass von dringlichen Bundesgesetzen und (Polizei-)Notverordnungen und die Bereitstellung korrespondierender Finanzmittel als Grundlage von Sanierungsmassnahmen. Im Rahmen des Insolvenzbewältigungsrechts wird das bloss teilweise Anwendung findende zwangs-vollstreckungsrechtliche Instrumentarium ergänzt durch das spezifische Konzept der Einstandspflichten. Diese sind als öffentlich-rechtliches Institut sui generis von Staatsgarantien und Staatshaftungsansprüchen i.e.S. abzugrenzen. Zwecks Verhinderung rechtsstaatlich problematischer notrechtlicher Insolvenzbewältigung im Einzelfall und Harmonisierung des zersplitterten geltenden Rechts wird den Gesetzgebern der Erlass eines «Dachgesetzes» empfohlen, welches die Grundzüge eines integral verstandenen Krisenrechts kodifiziert.
The dogma of unlimited solvency of public authorities is reflected in the rules governing autonomous public bodies. A coherent framework of positive law to mitigate public insolvency is largely absent. However, progression of an insolvency is governed by the rule of law. In fact, a principle-based approach sheds light on typical patterns of an evolving financial crisis and reveals a staggered genuine «crisis law» for autonomous public entities of the Swiss Confederation and its cantons: crisis prevention law, crisis intervention supervision law, crisis intervention emergency law and crisis mitigation law. Due to the legal separation of the assets of an autonomous public body, fiscal rules usually do not cover autonomous public bodies. At the same time, legislators have frequently failed to enact special rules for individual autonomous public entities. As a result, crisis prevention law is incomplete. A threefold application of fiscal rules including core government, consolidated financial statement and individual public entity is therefore suggested. Janus-faced crisis intervention supervision law contains preventive and curative instruments to mitigate a (an imminent) solvency crisis. Crisis intervention emergency law allows to enact emergency federal acts and emergency ordinances as well as the urgent provision of corresponding financial means in order to conduct consolidation measures. With regard to crisis mitigation law, the only partially applicable bankruptcy framework is supplemented by the specific obligation to step in. This is an obligation sui generis based on public law to be distinguished from government guarantees as well as claims for government liability. In order to harmonize the current legal framework and to avoid emergency crisis mitigation departing from the rule of law in individual cases, legislators are encouraged to enact a framework law codifying principles of a holistic crisis law.
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