Der kritische Adam Smith - im Spannungsfeld zwischen sittlichem Gefühl und ethischer Vernunft
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Querverweis: Dieser Text ist in der [http://www.alexandria.unisg.ch/Publikationen/Person/U/Peter_Ulrich/17229 identischen Buchfassung online] verfügbar:
Der Moralphilosoph Adam Smith steht noch immer im Schatten des Ökonomen Smith - zu Unrecht, wie der vorliegende Beitrag anlässlich des 200. Todestags von Smith am 17. Juli 1990 nachweisen möchte. Auch nach Smiths eigener Einschätzung ist nicht der «Wealth of Nations» (1776), sondern die «Theory of Moral Sentiments» (1759), an deren fortwährender Verfeinerung er bis zur 6. Auflage in seinem Todesjahr gearbeitet hat, sein wichtigstes Werk, und seine politische Ökonomie ist unablösbar mit diesem verbunden. Im Unterschied zu den meisten seiner späteren Verehrer hat Adam Smith die ethisch-politischen Voraussetzungen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung stets mitbedacht. Man kann ihn deshalb als den "Klassiker" einer modernen Wirtschaftsethik bezeichnen. Wenn es heute Anzeichen für eine Renaissance seiner "klassischen" politischen Ökonomie gibt, so dürfte es genau dieser Punkt sein, der eine solche lohnend macht. Denn nur im Kontext der faszinierenden Moralphilosophie Smiths lässt sich auch seine liberale Ökonomie unverkürzt erschliessen. Die zentrale These dieses Beitrags geht dahin, dass Smith seinem grossen Zeitgenossen und angeblichen Antipoden, dem kritischen Philosophen Immanuel Kant, unter philosophisch-ethischen Gesichtspunkten wesentlich näher steht als den heutigen neoklassischen Ökonomen, die sich so gern auf ihn berufen, zugleich aber aufgrund ihres so ganz anderen Wissenschaftsverständnisses von Kants «Kritik der praktischen Vernunft» in der Ökonomie regelmässig nichts wissen wollen (Abschnitt 1). Auf dem Hintergrund der "grossen" philosophiegeschichtlichen Spannungslinien wird der entscheidende methodische Fortschritt und die grossartige Syntheseleistung Smiths deutlich, mit der er Kants "kopernikanische Wende" hin zur kritischen Philosophie und Vernunftethik in bahnbrechender Weise vorwegnahm (Abschnitt 2). Die "Kant'sche Seele in Smiths Brust" (Abschnitt 3) lässt ihn der (deontologischen) Gerechtigkeitsethik den unbedingten Vorrang vor allen (teleologischen) Nützlichkeitsüberlegungen einräumen; sein Programm einer politischen Ökonomie ist das Programm einer lebensklugen Indienstnahme der Ökonomischen Triebkräfte für die vorrangigen Ziele einer sowohl freiheitlichen als auch gerechten Gsellschaftsordnung mittels eines vielschichtigen Netzwerks der in der Conditio humana wurzelnden moralischen Dispositionen der Menschen, staatlicher Regelungen und ökonomischer Interessenlenkung durch das Wirtschaftssystem (Abschnitt 4). Die heutige Aktualität von Smiths politischer Ökonomie in moralphilosophischer Absicht gründet nicht zuletzt in ihrem von seiten der vorherrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Rezeption ausgeblendeten kritischen Potential. Der Schlussabschnitt (5) skizziert die überraschend deutlichen und weitreichenden Konsequenzen für eine zeitgemässe freiheitliche Wirtschaftsordnung, die einer unverkürzten Deutung seines Werks im ethisch-politisch-ökonomischen Gesamtzusammenhang unter den gegenwärtigen Bedingungen abzugewinnen sind.
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